Dita Zipfel: Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte
Hanser 2019, ISBN 978-3-446-26444-1, 15,00 €
Lucie lebt mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder Janni zusammen. Ihre Mutter ist seit Jahren auf der Suche nach einem Lebenspartner. Derzeit geht Michi in der Wohnung ein und aus. Lucie soll ihr Zimmer aufgeben, damit Michi, der ihr unsäglich auf die Nerven geht, ein eigenes Reich hat. Lucie beschließt, der Situation ein Ende zu setzen und so viel Geld zu verdienen, dass sie nach Berlin umziehen kann: zu Bernhardine, der Nr. 1 in der Sammlung verflossener Lieben ihrer Mutter. Um ihr Taschengeld aufzubessern, nimmt Lucie einen Job an und trifft Klinge, einen älteren Herrn, dessen Welt „verrückt“ ist. Lucies Not ist so groß, dass sie hartnäckig an Klinge Seite bleibt. Die Bezahlung ist gut und so stellt sich Lucie dem Wahnsinn mit all seinen Facetten. Und dann ist da noch eine Prise erste Liebe. Lucie erlebt am eigenen Leib, dass ihr Herz nicht gleich für den Richtigen schlägt.
Ein Buch zum Lieblingsstellen-Sammeln, sprachkreativ und tiefgründig. Aus Lucies Überlegungen zu Themen wie „Liebe to go“ oder „warum haben Erwachsene das Recht, alles zu kommentieren?“ spricht Dita Zipfels Einfühlungsvermögen in die Lebenswelt der Jugendlichen. Es gelingt ihr auf eine poetisch ungewöhnliche Art, Atmosphäre einzufangen. Sei es Friedhofsstimmung oder das Gefühl von Schmetterlingen im Bauch.
Die Illustrationen von Rán Flygenring stehen in so engem Wechselspiel zum Text, dass ich beim Lesen neugierig geworden bin. Ich habe mich gefragt, ob dieser besonderen Harmonie eine herausragende Intensität des Austauschs voranging. Schwarz, weiß und ein leuchtendes Rot, abwechselnd flächig, mit kreideartigen oder feinen schwarzen Strichen fügt sich Bild und Grafik zum Text. Besonders stimmig fand ich, dass die Buchdeckel-Innenseiten so wunderbar illustriert sind.
Mein Verhältnis zu Gemüse hat schon langes etwas Magisches. Vielleicht ist dieses Buch der Beginn einer neuen Dimension, denn eine formschöne Tomate ist zweifelsohne ein Drachenherz.
Nele Schäfer
Erzieherin im Wörterwald