Preisverdächtig

Luchspreis


    Deutscher Jugendliteraturpreis

    Nominierungen 2020

    Preis der Jugendjury

    • Christelle Dabos: Die Spiegelreisende – Die Verlobten des Winters

      Insel 2019, 978-3-458-17792-0, 18,00 €

      Was für eine Heldin! Ophelia ist tollpatschig, spricht immer zu leise und ist überhaupt einfach zu klein für kraftvolle Abenteuer. Ophelia hatte alle Eigenschaften einer typischen Antiheldin. Doch sie steht ihre Frau. Auf der von Frauen regierten Arche Anima aufgewachsen, lässt sie sich nicht so schnell von körperlicher Kraft und Hinterlist einschüchtern. Ihre besonderen Gaben hat Ophelia in ihrer Jugend mit unermüdlicher Willenskraft und Training selbst entwickelt. Sie kann durch Spiegel reisen und so ihren Kopf retten, wenn die Machenschaften ihrer Feinde zu bedrohlich werden. Außerdem kann sie durch ihre Hände in die Geschichte von Gegenständen eintauchen und deren Geheimnisse lüften. Diese Gabe wollen sich Andere zu nutzen machen.

      Christelle Dabos gelingt es, eine Welt entstehen zu lassen, die Fantasie anregt und gleichzeitig den Leser in eine packende Geschichte zu entführen. Wohltuend kreative Variante im Kreise der Superhelden-Stories.

      Nele Schäfer, Erzieherin im Wörterwald


    • Neal & Jarrod Shusterman: Dry

      Sauerländer 2019, ISBN 978-3-7373-5638-1, 15,00€

      Als ich im Herbst 2019 „Dry“ gelesen habe, hat mir beim Lesen dieser doch so denkbaren Dystopie der Atem gestockt. Wie muss es Lesern im Frühjahr 2020 gehen, mitten während der Corona Pandemie, in der völlig unerwartet in deutschen Supermärkten die Regale leer gekauft werden?

      Bei Mehl und Toilettenpapier lässt sich leicht ausweichen, aber ein Mangel an Wasser zu kompensieren, ist herausfordernd. Wie würde ich selbst reagieren, wenn das überlebenswichtige Gut „Wasser“ plötzlich umkämpft wäre? Könnte ich mir selbst meine Menschlichkeit bewahren und Solidarität leben? Es fällt schwer, beherzt „Ja!“ zu sagen.

      „Dry“ geht unter die Haut. Aufrüttelnd. Bedrohlich. Hoffentlich dystopisch.

      Nele Schäfer, Erzieherin im Wörterwald


    Jugendbuch

    • Dita Zipfel: Wie der Wahnsinn mir die Welt erklärte

      Hanser 2019, ISBN 978-3-446-26444-1, 15,00 €

      Lucie lebt mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder Janni zusammen. Ihre Mutter ist seit Jahren auf der Suche nach einem Lebenspartner. Derzeit geht Michi in der Wohnung ein und aus. Lucie soll ihr Zimmer aufgeben, damit Michi, der ihr unsäglich auf die Nerven geht, ein eigenes Reich hat. Lucie beschließt, der Situation ein Ende zu setzen und so viel Geld zu verdienen, dass sie nach Berlin umziehen kann: zu Bernhardine, der Nr. 1 in der Sammlung verflossener Lieben ihrer Mutter. Um ihr Taschengeld aufzubessern, nimmt Lucie einen Job an und trifft Klinge, einen älteren Herrn, dessen Welt „verrückt“ ist. Lucies Not ist so groß, dass sie hartnäckig an Klinge Seite bleibt. Die Bezahlung ist gut und so stellt sich Lucie dem Wahnsinn mit all seinen Facetten. Und dann ist da noch eine Prise erste Liebe. Lucie erlebt am eigenen Leib, dass ihr Herz nicht gleich für den Richtigen schlägt.

      Ein Buch zum Lieblingsstellen-Sammeln, sprachkreativ und tiefgründig. Aus Lucies Überlegungen zu Themen wie „Liebe to go“ oder „warum haben Erwachsene das Recht, alles zu kommentieren?“ spricht Dita Zipfels Einfühlungsvermögen in die Lebenswelt der Jugendlichen. Es gelingt ihr auf eine poetisch ungewöhnliche Art, Atmosphäre einzufangen. Sei es Friedhofsstimmung oder das Gefühl von Schmetterlingen im Bauch.
      Die Illustrationen von Rán Flygenring stehen in so engem Wechselspiel zum Text, dass ich beim Lesen neugierig geworden bin. Ich habe mich gefragt, ob dieser besonderen Harmonie eine herausragende Intensität des Austauschs voranging. Schwarz, weiß und ein leuchtendes Rot, abwechselnd flächig, mit kreideartigen oder feinen schwarzen Strichen fügt sich Bild und Grafik zum Text. Besonders stimmig fand ich, dass die Buchdeckel-Innenseiten so wunderbar illustriert sind.
      Mein Verhältnis zu Gemüse hat schon langes etwas Magisches. Vielleicht ist dieses Buch der Beginn einer neuen Dimension, denn eine formschöne Tomate ist zweifelsohne ein Drachenherz.

      Nele Schäfer
      Erzieherin im Wörterwald